JSPS Rundschreiben aus Wissenschaft und Forschung | Nr. 05/2004 | Ausgabe 50

JSPS Rundschreiben, 05/2004, Nr. 50 (328 KB)


Neuer MEXT-Minister

Bei der Kabinettsumbildung Ende September 2004 wurde Noriaki Nakayama zum neuen Minister des Ministry of Education, Culture, Sports, Science and Technology (MEXT) ernannt. Der 61-jährige ehemalige Beamte des Finanzministeriums war zuletzt stellvertretender Generalsekretär der liberaldemokratischen Regierungspartei LDP.

Zu Nakayamas Zielsetzung gehört die staatliche finanzielle Förderung der Präfekturen, um dadurch landesweit für ein einheitliches Bildungsniveau zu sorgen. Andernfalls hätten etwa 40 Präfekturen Probleme bei der Finanzierung des Bildungswesens, was die Kluft zwischen wohlhabenden und finanziell schwachen Präfekturen vertiefen würde. Nakayama plant, zum Ende des Fiskaljahrs 2006 3 Bio. Yen (22,2 Mrd. Euro) an die Lokalregierungen zu überweisen. Im Gegenzug bereiten sich die Regierungen der Präfekturen darauf vor, in den nächsten zwei Fiskaljahren auf staatliche Subventionen für den Bildungsbereich in Höhe von 3,2 Bio. Yen (23,7 Mrd. Euro) zu verzichten, darunter 850 Mrd. Yen (6,2 Mrd. Euro) für die Entlohnung von Mittelschullehrern. Im Fiskaljahr 2004 hatten die Präfekturen staatliche Förderungen in Höhe von 2,5 Bio. Yen (18,5 Mrd. Euro) erhalten, mit denen die Hälfte der Lehrergehälter an öffentlichen Grund- und Mittelschulen gezahlt worden ist.

Nakayama hofft bei der nächsten regulären Parlamentssitzung im Januar eine Revision des Fundamental Law of Education durchzusetzen. Das Gesetzeswerk wurde 1947 verabschiedet, um das Bildungswesen im Japan der Nachkriegszeit zu regulieren. 2003 hatte der Central Council for Education eine Erweiterung des Gesetzes für ein stärkeres Nationalbewusstsein verlangt. Die Revision des Gesetzes ist derzeit auch Thema zwischen der LDP und ihrer Koalitionspartnerin, der New Komeito Partei. Noch herrscht über einige Punkte Unklarheit, etwa darüber, ob das Nationalbewusstsein als Kernpunkt in das Gesetz aufgenommen werden soll. Nakayama sprach sich dafür aus und betonte, es solle ein Japan geschaffen werden, auf das Studierende mit Stolz und Zuversicht blicken könnten.
(Quelle: Japan Times 30.09.2004)


Dritte Auswahl für das 21st Century COE Program

Die Japan Society for the Promotion of Science hat Mitte Juli die für das Jahr 2004 im Rahmen des "21st Century COE Program" (vgl. JSPS Rundschreiben 05+06/2003) des Ministry of Education, Culture, Sports Science and Technology (MEXT) ausgewählten 28 Projekte von 24 Universitäten veröffentlicht.

Dieses Mal wurden Vorschläge für die Einrichtung von Center of Excellence (COE) für Forschung und Lehre (FuE) auf neuen wissenschaftlichen Gebieten angenommen, d.h. Vorschläge aus Bereichen der FuE, die neue wissenschaftliche Gebiete voranbringen, oder die durch bereits existierende Infrastrukturen die Schaffung neuer wissenschaftlicher Gebiete vorantreiben. Anders als in den beiden vergangenen Jahren wurden Vorschläge aus allen Fachgebieten akzeptiert.

Es wurden 320 Vorschläge von 186 Universitäten eingereicht, darunter 156 Vorschläge von 70 staatlichen Universitäten, 34 Vorschläge von 28 öffentlichen Universitäten und 130 Vorschläge von 88 privaten Universitäten. Bewilligt wurden 23 Anträge von 19 staatlichen Universitäten, ein Antrag einer öffentlichen Universität und vier Anträge von vier privaten Universitäten. Obwohl mit 48,8 % nur knapp die Hälfte der Anträge von staatlichen Universitäten kamen, wurden 82,1 % davon ausgewählt.

Dieses Mal ist das Tokyo Institute of Technology mit drei bewilligten Anträgen Spitzenreiter, gefolgt von der University of Tokyo und der Hokkaido University mit je zwei bewilligten Anträgen, alle weiteren geförderten Universitäten bekamen nur einen Antrag bewilligt.

Gefördert wurde z.B. ein Antrag der Osaka City University, der sich mit Maßnahmen gegen die in der vom Stress geplagten Gesellschaft zunehmend auftretende Müdigkeit befasst. Stress gilt als Symptom und Auslöser für viele verschiedene Krankheiten. Im Bereich der Moleküle will man den Mechanismus der Nerven erklären und bemüht sich um eine objektive Methode zur Messung der Müdigkeit. Ferner will man Nahrungs- und Arzneimittel zur Bekämpfung der Müdigkeit entwickeln.

Erstmals gefördert werden die Iwate University, die Shizuoka University, die Nara Women's University, die University of the Ryukyus, die Nishogakusha University, die Kyoto Pharmaceutical University, die Kochi University of Technology und die Kyushu Sangyo University. Hingegen erhielten einige Universitäten, die in den letzten beiden Jahren Anträge bewilligt bekamen wie die Kobe University, die Kyushu University, die Waseda University und die Keio University dieses Mal keinen Bewilligungen. Einige Universitäten, deren Vorschläge in den Jahren 2002 oder 2003 abgelehnt worden waren, hatten diese so umfassend überarbeitet, dass sie in diesem Jahr bei der Auswahl berücksichtigt worden sind. Für die bewilligten 28 Anträge steht ein Gesamtbudget von 3,1 Mrd. Yen (23 Mio. Euro), für jeden ausgewählten Antrag stehen somit 10-100 Mio. Yen (74.000-740.000 Euro) zur Verfügung.

Nachdem in den Jahren 2002 und 2003 Anträge aus insgesamt 10 Fachgebieten ausgewählt worden waren, sollte das Programm eigentlich beendet werden. Da das MEXT jedoch der Auffassung war, dass das Programm für eine umfangreiche Belebung der Aktivitäten der Universitäten gesorgt hat, war in diesem Jahr eine zusätzliche Auswahl erfolgt. Insgesamt sind somit für elf Fachbereiche 274 Anträge von 93 Universitäten ausgewählt worden (Details siehe Tabelle). Das MEXT hat noch nicht entschieden, ob auch im nächsten Jahr weitere Anträge in diesem Programm möglich sind.

Verteilung aller 274 Bewilligungen nach Hochschultyp in allen 11 Bereichen:

Staatliche Universitäten
Private Universitäten
Öffentliche Universitäten
204 (74,5%)
60 (21,9%)
10 (3,6%)
7 ehem. Kaiserl. Hochschulen
44 andere
Waseda,Keio
33 andere
   
113 (41,2%)
91 (33,2%)
21 (7,7%)
39 (14,2%)
   

(Quellen: Nikkei u. Asahi 22.07.2004, JSPS Broschüre 2004-05)


Universitäten wieder nach Tokyo

Nachdem in den letzten Jahren als Reaktion auf die hohen Studentenzahlen einzelne Fakultäten privater Universitäten oftmals in das Tokioter Umland ausgelagert worden sind, zeigt sich nun aufgrund rückläufiger Geburtenraten die Tendenz, diese Institute wieder in das Zentrum von Tokyo zurückzuführen. Dabei spielen auch die seit dem Zusammenbruch der Seifenblasenwirtschaft Anfang der 90er Jahre rapide gefallenen Grundstücks- und Baukosten eine Rolle.

Die Toyo University errichtet auf ihrem Campus im Tokioter Bezirk Bunkyo neue Gebäude mit einer Fläche von 23.000 m2. Zu Beginn des Sommersemesters 2005 sollen 8000 Studienanfänger und Studierende im zweiten Studienjahr der Fakultäten für Literatur, Wirtschaftswissenschaften, Betriebswirtschaftslehre, Jura und Sozialwissenschaften von dem Asaka Campus in der Präfektur Saitama zu den älteren Studenten und Graduierten an den Campus in Bunkyo versetzt werden.

Alle Betroffenen können von dieser Verlagerung profitieren. Die Teilnehmer der Graduiertenkurse können den Dozenten als Assistenten bei deren Lehrtätigkeit zur Seite stehen und Studierende unterschiedlicher Semester können gemeinsam an denselben Veranstaltungen teilnehmen. War eine Expansion innerhalb Tokyos während der Zeit der Seifenblasenwirtschaft finanziell unmöglich gewesen, so konnte die Toyo University nun dank gefallener Grundstückspreise von Firmen und Privatpersonen Grundstücke in der Nachbarschaft erwerben.

Auch die Kokugakuin University, die 2002 ihr 120jähriges Bestehen feierte, baut derzeit ihren Campus in Shibuya neu auf. Bei dem größten Bauprojekt in der Geschichte dieser Universität sollen bis 2009 ein 18-stöckiges Hauptgebäude sowie verschiedene andere Bürogebäude und eine Bibliothek mit einer Gesamtfläche von 52.000 m2 untergebracht werden. Seit 1992 hat die Universität Studenten aus den ersten beiden Studienjahren in ihrem Campus im Bezirk Aoba in Yokohama ausgebildet. Die Studentenzahl ist von 13.000 zu Höchstzeiten auf 9.000 gesunken, so dass mit Beendigung des Bauvorhabens wieder alle Studierenden auf dem Campus in Shibuya Platz finden sollen.

Das Shibaura Institute of Technology hat im Tokioter Bezirk Koto 30.000 m2 Land erworben, auf dem 2006 ein Campus für 3000 Studierende aus den Einrichtungen der Universität in der Präfektur Saitama und dem Bezirk Minato (Tokyo) eröffnet werden soll.

Laut einer Studie des Ministry of Education, Culture, Sports, Science and Technology (MEXT) ist die Zahl der an Hochschulen aufgenommenen Studienbewerber von 809.900 im Rekordjahr 1993 auf 704.500 Studierende im Jahr 2004 gesunken. 2007 wird aufgrund der Zahl der Studienplätze zumindest theoretisch jeder Bewerber akzeptiert werden können. Die sinkenden Bewerberzahlen werden den Konkurrenzkampf der Hochschulen um die besten Studenten jedoch weiter verstärken.
(Quelle: Japan Times 17.09.2004)


Weniger Bewerber für Law Schools

Nach einer Studie der Asahi Shinbun sehen sich viele der 68 Law Schools, die im April diesen Jahres im Rahmen des Planes zur Reform des Justizsystems neu eröffnet worden sind, mit sinkenden Bewerberzahlen im zweiten Jahr konfrontiert.

An den 46 Law Schools, die keine Bewerbungen mehr für das kommende Jahr annehmen, lag in 20 Fällen die Bewerberzahl bei weniger als der Hälfte im Vergleich zum Vorjahr. In einem Fall war die Anzahl der Bewerber sogar von 755 auf 76 gefallen. Mit Ausnahme der Law School der Sophia University und des Institute for Legal Practice der Fukuoka University, die einen leichten Anstieg verzeichneten, zogen alle Law Schools im zweiten Jahr ihres Bestehens weniger Bewerber an.

Eine Ursache für diese Entwicklung ist darin zu suchen, dass vermutlich weniger Absolventen als erwartet das neue nationale Anwaltsexamen bestehen sollen. Das Justizministerium plant derzeit im ersten Prüfungsjahr 2006 lediglich 34 % der Examenskandidaten bestehen zu lassen. Die Reformer des Justizwesens waren jedoch von einer Rate von 70-80 % ausgegangen.

Der Anteil derjenigen, die ihren Beruf aufgeben um sich bei einer Law School einzuschreiben, ist deutlich gesunken, ebenso der Anteil derjenigen, die ihren ersten Universitätsabschluss in einem anderen Hauptfach als Jura gemacht hatten. Vermutlich lässt die Arbeitsmarktsituation in Verbindung mit den hohen Studiengebühren einer Law School einen solchen Schritt zu riskant erscheinen. Diejenigen, die eine Arbeitsstelle haben, ziehen es oftmals vor, sich an einer Abendschule auf die gegenwärtige Juristenprüfung vorzubereiten, an der jeder teilnehmen kann und die bis 2010 parallel zu der neuen Juristenprüfung existieren wird, oder sie wollen zunächst die Entwicklung der Dinge abwarten.

Das Ministry of Education, Culture, Sports, Science and Technology (MEXT) sieht die Ursache der gesunkenen Bewerberzahlen jedoch lediglich darin, dass viele auf die Eröffnung der Law Schools gewartet hatten, so dass die Zahl der Bewerber für das erste Jahr ungewöhnlich hoch war. Mit der Zeit werde sich die Zahl jedoch stabilisieren, so das Ministerium.
(Quelle: Asahi 18.10.2004)


Immer häufiger Promotion

Die Zahl der Promovierten in Japan steigt deutlich an. Während der Anteil in den naturwissenschaftlichen Fächern seit jeher hoch ist, ist der Anstieg in den Geisteswissenschaften auffällig hoch. 2002 haben 16.314 Personen einen Doktortitel verliehen bekommen, was für die vergangenen 10 Jahre insgesamt einen Anstieg um das 1,4fache bedeutet, für die Geisteswissenschaften sogar um das 3,3fache.

Einige Beispiele für diese ungewöhnliche Entwicklung: An der Nagoya University ist an der Graduate School of International Development 2003 die Zahl der abgeschlossenen Promotionen auf 21 angestiegen, womit dort in den letzten fünf Jahren insgesamt mehr als 100 Personen promoviert haben. Bei 32 Studenten, die jedes Jahr aufgenommen werden, bedeutet dies, dass 2/3 der Doktoranden ihre Promotion beenden.

An der 1994 gegründeten und der Osaka University angegliederten Osaka School of International Public Policy haben von 1998 bis 2003 69 Personen promoviert; 63 waren es im gleichen Zeitraum an der seit 1996 bestehenden Graduate School of Media and Governance der Keio University.

An der Graduate School of the Institute for International Cooperation Studies der Takushoku University, die bisher nur den Master als Abschluss angeboten hatte, ist für 2006 die Einrichtung von Doktorandenkursen geplant, zu denen auch ausländische Studenten zugelassen werden sollen. Bei dem im April diesen Jahres eingeführten Magisterstudiengang werden etwa 70 Prozent der Vorlesungen auf Englisch abgehalten. Von den 36 Teilnehmern stammen sechs aus China, Taiwan und anderen Ländern.

An der Chiba University of Commerce wurde im April 2002 mit dem Doctoral Program of Political Informatics ein Graduiertenkurs eingeführt, der ausschließlich auf die Promotion ausgerichtet ist. Von März 2002 bis März 2004 haben dort sieben Personen promoviert. Eine Besonderheit besteht darin, dass über die Hälfte der Teilnehmer der Graduiertenkurse berufstätig ist. Für sie wurden speziell Unterrichtsveranstaltungen am Samstag eingerichtet und die Promotion in nur einem Jahr ermöglicht.

Eine Promotion in einem geisteswissenschaftlichen Fach galt bisher als Nachweis einer deutlich herausragenden Leistung. Üblicherweise arbeiten Promovierende mehrere Jahre als Associate Professor oder Dozent während sie gleichzeitig an ihrer Dissertation arbeiten. Bisher war es jedoch eher ungewöhnlich, dass Studierende nach Abschluss der Graduiertenkurse auch einen Doktortitel erhielten. Stattdessen wurde normalerweise, sobald ein Arbeitsplatz gefunden war, die Promotion abgebrochen, nachdem alle Leistungsnachweise gesammelt oder die übliche Studienzeit von drei Jahren vorüber war.

Eine abgeschlossene Promotion wird hingegen immer häufiger zum Nachweis für den Abschluss der Doktorandenkurse. Auch neue Anforderungen an Berufstätige und Studierende aus dem Ausland lassen die Zahl der Promotionen ansteigen.

Ein weiterer Faktor für die steigende Anzahl von Promotionen ist die Unterstützung des Ministry of Education, Culture, Sports, Science and Technology (MEXT). Das Ministerium ermuntert die Universitäten die Doktorwürde zu verleihen und bietet im Gegenzug finanzielle Unterstützung für hervorragende Graduate Schools, auch in der Lehre. Beispiele hierfür sind das 21st Century Center of Excellence (COE) Program (vgl. JSPS Rundschreiben 05+06/2003) und die Initiative für eine herausragende Lehre an Graduate Schools. Das MEXT warnt außerdem, dass Japan beim internationalen Wissenschaftleraustausch zurückfallen werde, wenn nicht gewährleistet ist, dass die Wege zur Promotion frei von Hindernissen sind. Es ist anzunehmen, dass in den nächsten zehn Jahren die Zahl der Doktoranden weiter steigen wird, da Studienabgänger ihre derzeitigen Chancen auf dem Arbeitsmarkt als schlecht einschätzen. Als Teilnehmer an Graduiertenkursen werden sie damit eine "Reservearmee" bilden. Es steht noch aus, ob diese Entwicklung mit einer Verbesserung der Karrierechancen von Promovierten einhergehen wird. Von denjenigen, die im März 2003 ihre Promotion beendeten, hatten knapp über 50 % eine feste Stelle in Aussicht.
(Quelle: Nikkei 18.10.2004)


Neue Einstellungspraktiken

Aufgrund der sinkenden Anzahl von Firmen, die sich auf das altbewährte Einstellungssystem verlassen, bei dem Universitäten und Professoren Empfehlungen für einzelne Absolventen aussprechen, erschwert sich insbesondere für Studenten natur- und ingenieurwissenschaftlicher Fächer die Arbeitssuche.

Im Gegensatz zu den Geisteswissenschaften, bei denen sich die Absolventen direkt selbst bewerben, war es in den Naturwissenschaften bisher üblich, dass die Firmen den Universitäten mitteilten, wie viele Absolventen sie einstellen können. Daraufhin stellten die Professoren den Absolventen Empfehlungsschreiben aus und fungierten so als Verbindungsglied zwischen den Unternehmen und Hochschulen, zwischen denen ein enges Vertrauensverhältnis herrschte. Jeder Absolvent erhielt nur eine Empfehlung und war verpflichtet, das ihm unterbreitete Arbeitsangebot anzunehmen. Den Firmen waren auf diese Weise hochqualifizierte Bewerber und ein vereinfachter Einstellungsprozess sicher. Für die Universitäten hatte das System den Vorteil, dass sie nicht soviel Zeit und Energie in die Hilfe bei der Arbeitssuche der Absolventen investieren mussten.

Einige Unternehmen wie Sony Corp. und Nissan Motor Co. haben in diesem Jahr das konventionelle Einstellungssystem für Absolventen der Naturwissenschaften abgeschafft und ermöglichen eigenständige und direkte Bewerbungen. Bei Sony gab man an, dass so den individuellen Leistungen der Bewerber größeres Interesse eingeräumt werden soll, und das Unternehmen auch selbst gut in der Lage sei, diese zu beurteilen.

Bei manch anderen Unternehmen, wie der Kajima Corp., existieren beide Systeme. Die Zahl der Absolventen, die durch das freie Bewerbungsverfahren dort eingestellt werden, ist steigend und ab Frühjahr 2005 sollen in einigen Bereichen Stellen ausschließlich über diesen Weg besetzt werden.

Prof. Akihiko Yamaji von der Graduate School of Science and Engineering des Tokyo Institute of Technology schätzt, dass der Anteil der Absolventen, die durch Empfehlung Arbeit findet, auf unter 70 % gesunken ist.

An dem herkömmlichen System wird kritisiert, dass die Universitäten nicht alle Eigenschaften, die einen guten Arbeitnehmern ausmachen, einschätzen können und sich vorwiegend an Zeugnissen orientieren.

Durch die Umstellung verlängert sich allerdings für die Absolventen die Arbeitssuche. Die Universitäten bemühen sich daher verstärkt um Hilfestellungen für ihre Absolventen.
(Quelle: Yomiuri 16.10.2004)


Absolventen ausländischer Hochschulen in japanische Graduiertenprogramme

Ein Beratungsausschuss des Ministry of Education, Culture, Sports, Science and Technology (MEXT) hat Ende September beschlossen, dass Absolventen japanischer Zweigstellen qualifizierter ausländischer Hochschulen in Japan in die Graduiertenprogramme japanischer Universitäten aufgenommen werden können. Die an diesen Hochschulen erworbenen Leistungspunkte werden an japanischen Hochschulen anerkannt und auch umgekehrt.

Das MEXT plant, Ende Oktober die entsprechenden Bestimmungen zu ändern, um zusammen mit dem Central Education Council die geeigneten Universitäten festzulegen.

Dazu müssen die ausländischen Hochschulen durch die diplomatischen Vertretungen ihrer Länder in Japan nachweisen, dass ihre Studiengänge mit den in ihren Heimatländern angebotenen Studiengängen identisch sind. Laut MEXT ist dies beispielsweise bei der Temple University Japan, der Tokioter Zeigstelle der Temple University aus Philadelphia, der Fall.
(Quelle: Japan Times 01.10.2004)


Immatrikulation im Herbst

An der School of Commerce der Waseda University wird ab kommendem Jahr neben der bisher üblichen Immatrikulation im April auch die Einschreibung im Herbst ermöglicht werden. Für die Studenten, die sich dann im September immatrikulieren gibt es beim Erwerb der Leistungspunkte und beim Universitätsabschluss keine Nachteile. Diejenigen, die gute Leistungen erbringen, können schon nach 3 ½ Jahren ihr Studium beenden. Es können sich 50 Studenten im September einschreiben, im Gegenzug wird die Zulassungszahl für April gesenkt.

Das System könnte attraktiv für Bewerber sein, die bei der Aufnahmeprüfung im Frühjahr durchgefallen sind, aber nicht wie sonst üblich ein volles Jahr auf ihre zweite Aufnahmechance warten wollen, oder für Studenten, die nach einem Studium im Ausland in Japan weiter studieren möchten.

Die allgemeine Möglichkeit der Immatrikulation im Herbst wurde in Japan vor zehn Jahren eingeführt, wird jedoch bislang nur von 19 Universitäten genutzt. An diesen Universitäten sind oft die Immatrikulationszahlen im September sehr niedrig. Viele Studenten befürchten u.a., dass sie bei der Berufssuche im Nachteil sind, wenn sie nicht wie die meisten Studenten im Frühjahr, sondern im Herbst ihren Abschluss machen. Viele der Septembereinsteiger waren bisher ausländische Studierende. Mit der Einführung des Systems an der bekannten Waseda University hofft man auch auf eine größere Verbreitung und Anerkennung. Allerdings ist auch Flexibilität von Seiten der Unternehmen gefragt, die in Japan in der Regel nur im April neues Personal einstellen.
(Quelle: Asahi 18.10.2004)


Forschung an Hochschulen nicht vom Patentrecht ausgenommen

Auch bei Forschung an Universitäten können Patentrechte verletzt werden. Im September veröffentlichte das Japanese Patent Office (JPO) einen Berichtentwurf, nachdem es den Universitäten untersagt werden soll, patentierte Errungenschaften für ihre Forschungsarbeit zu verwenden. Kritiker befürchten jedoch, dass sich dies als Hemmnis für die Forschungstätigkeiten erweisen wird. Dringliche Aufgabe ist es nun, ein Regelwerk zu schaffen, welches Gerichtsverfahren verhindert.

Prof. Hiroshi Konno von der Chuo University gibt zu bedenken, dass in der Wissenschaft vieles nicht auf spontanen Geistesblitzen beruht sondern das Ergebnis eines Zusammensuchens von Erkenntnissen früherer Forschungsleistungen ist. Wenn alle diese Erkenntnisse jetzt durch Patentschriften geschützt würden, hätte dies äußerst kritische Auswirkungen für die Universitäten.

Nach dem derzeit geltenden Patentrecht ist Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen die Nutzung patentierter Erfindungen für Experimente und Forschung gestattet. 2003 hatte der zur Regierung gehörende Große Senat für Geistiges Eigentum jedoch auf die Gefahr verwiesen, dass sich eine Hochschule der patentierten Technologien eines Unternehmens bedient, um dann mit dessen Konkurrenzunternehmen gemeinsame Forschung zu betreiben. Man war zu dem Schluss gekommen, dass spezielle Beschränkungen notwendig seien, um die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft nicht zu behindern und hatte das JPO um Stellungnahme gebeten.

Das JPO hatte die Debatte in einem Beratungsausschuss des Wirtschaftsministers begonnen und darauf hingewiesen, dass Forschung für die Universitäten ein großes Geschäft sei und selbst wenn Forschung nicht auf Profit ausgerichtet sei, die Nutzung patentierter Technologien zu Forschungszwecken als widerrechtlich anzusehen sei. Eine Ausnahme liege lediglich dann vor, wenn Experimente durchgeführt werden, um zu eruieren, ob ein Patent lohnend erscheint, oder wenn im Rahmen einer Forschungsarbeit eine hervorragende Technik weiter verbessert werden soll.

In letzter Zeit sind die Universitäten sehr bemüht, Lizenzen für den Technologietransfer zu erhalten. Für die meisten Unternehmen ist es selbstverständlich, dass sie diese Rechte respektieren und Genehmigungen einholen. Zwar war im Ausschuss von Seiten der Hochschulen die Forderung nach Preisnachlässen bei Lizenzgebühren laut geworden, es hatte sich jedoch niemand für die derzeitige Praxis der Ausnahmeregelung für Universitäten bei Patentrechten ausgesprochen.

Die Frage nach der Nutzung geistigen Eigentums beschäftigt Wissenschaftler auf der ganzen Welt, insbesondere in den USA. In Washington sorgte man sich bei einer Versammlung der American Association for the Advancement of Science im Februar dieses Jahres darum, dass Wissenschaftler in die Länder auswandern, in denen Forschung und Experimente im großen Maße durch Ausnahmeregelungen im Patentrecht gestattet sind.
(Quelle: Nikkei 18.10.2004)


Neues Frühwarnsystem bei Erdbeben

Nach Informationen der Yomiuri Shinbun könnte bereits im April 2005 ein Frühwarnsystem eingeführt werden, das kleinere Erdstöße, die einem großen Beben vorangehen und von Menschen nicht wahrgenommen werden, erkennen kann. Das von der Meteorological Agency seit letztem Jahr entwickelte System benutzt modernste Technik - die sogenannte Nowcast Earthquake Information Seismic Detection Technology - und kann fast unverzüglich Epizentrum sowie Bebenstärke ermitteln, um das Beben einige Sekunden vorab anzukündigen.

Eine solche Technik erschien noch vor zehn Jahren unmöglich. Herkömmliche Seismographen konnten Stärke und Epizentrum eines Bebens nur dann errechnen, wenn sie Informationen von verschiedenen Messstellen bekamen, so dass eine Warnung frühestens nach zwei Minuten ausgesprochen werden konnte.

Das System wird seit Februar in ausgesuchten Regionen getestet und hat im September seine Fähigkeit bereits unter Beweis gestellt, als es in der Präfektur Mie erfolgreich ein Erdbeben vorausgesagt hat.

Wenn ein Erdbeben sein Epizentrum vor der südlichen Küste der Tokai Region hätte, könnte die Bevölkerung von Shizuoka etwa 10 Sekunden und Tokyo etwa 40 Sekunden vor Beginn der Erdstöße gewarnt werden. Damit bliebe den Betroffenen Zeit, Geräte wie Kochplatten und Gasherde, die Brände auslösen können, abzustellen und unter Tischen Schutz zu suchen. Bei einem Epizentrum im Inland könnten die direkt betroffenen Gebiete jedoch nicht rechtzeitig gewarnt werden, ebenso wenig wenn das Zentrum nicht tief genug liegt.

Zu bedenken bleibt außerdem, dass eine Erdbebenwarnung an Orten, an denen sich viele Menschen aufhalten, Panik auslösen und in deren Folge Personen verletzt werden könnten.
(Quelle: Yomiuri 16.10.2004)


Windräder und Solarzellen immer verbreiteter

Die Telekommunikationsfirma NTT DoCoMo hat an der Südspitze der Halbinsel Boso, Präfektur Chiba, eine 32 Meter hohe, bunt bemalte Windkraftturbine mit Sonnenkollektoren im Sockel errichtet. Der sogenannte DoCoMo Eco-Tower wurde Anfang Juli als Funkstation für unternehmenseigene Mobiltelefone der dritten Generation in Betrieb genommen und gewinnt die benötigte Energie durch Wind und Sonne. Überschüssige Energie wird für bedeckte und windstille Tage gespeichert, so dass keinerlei zusätzliche Energie benötigt wird. Mit den Solarkollektoren werden 1,3 kW Energie erzeugt, wobei die Funkstation nur 0,4 kW benötigt. Der Eco-Tower stößt bei Anwohnern und Besuchern der Halbinsel auf positive Resonanz.

Auch Kyocera Corp. hat sein Hauptbüro in Kyoto mit Solarenergie ausgestattet und ein Gebäude in Kobe, in dem Misawa Homes Kinki Co. u.a. Firmen ihre Büros haben, verfügt über das gleiche System. Einige Betreiber von Convenience Store-Ketten wie Lawson, FamilyMart oder Daily Yamazaki nutzen ebenso Solarenergie. Das Unternehmen Suzuki Motor Corp. hat in seiner Fabrik in Kosai, Präfektur Shizuoka, zwei Windkraftgeneratoren im Einsatz.
(Quelle: Japan Times 15.09.2004)


Kyoto-Protokoll stellt Japan vor Probleme

Das Klimaschutzabkommen Kyoto-Protokoll aus dem Jahr 1997 wird 90 Tage nach seiner Ratifizierung durch Russland am 30.09.2004 weltweit in Kraft treten. Japan steht damit unter Zugzwang.

Als viertgrößter Verursacher von Treibhausgasen muss das Gastgeberland der Kyoto-Konferenz im Zeitraum von 2008 bis 2012 die Emission von Treibhausgasen gemessen am Niveau von 1990 um 6 % reduzieren. Aufgrund eines Anstiegs des Ausstoßes an Treibhausgasen seit 1990 um 7,6 % auf 1,331 Mrd. Tonnen steht Japan nun vor der Aufgabe, die Emissionen um 13,6 % zu senken.

Da man offenbar nicht mit dem Inkrafttreten des Protokolls in absehbarer Zeit gerechnet hatte, existieren bisher auch nur wenig konkrete Vorstellungen, wie dieses Ziel zu erreichen ist.

Das Umweltministerium hatte im August die Einführung einer Ökosteuer auf fossile Brennstoffe vorgeschlagen. Die Japan Business Federation (Keidanren) lehnte dieses Vorhaben jedoch ab, da eine Schwächung der japanischen Wirtschaft und ihrer internationalen Konkurrenzfähigkeit befürchtet wird. Auch der Vorschlag, ein System zum Handel mit Emissionszertifikaten innerhalb Japans einzuführen und so einen Anreiz zur Reduzierung von Treibhausgasen zu schaffen, wurde von der Wirtschaftsvereinigung kritisch beurteilt.

Sollte es Japan nicht gelingen, die Zielsetzung des Protokolls einzuhalten, werden für die zweite Periode der Emissionsreduzierung von 2013 bis 2017 als Sanktion die abkommenswidrigen Emissionen mit 1,3 Mal höheren Reduktionsauflagen belegt.
(Quelle: Asahi 01.10.2004)


Ethikunterricht für medizinisches Personal

An der Graduate School of Medicine der University of Tokyo wird ein "Center for Biomedical Ethics and Law" eingerichtet. Hier sollen u.a. Personen aus Krankenhäusern, Forschungseinrichtungen, pharmazeutischen Unternehmen ausgebildet werden, die z.B. in Ethikkomitees über die Rechtmäßigkeit von Forschung in Krankenhäusern urteilen oder intervenieren, wenn es in medizinischen Bereichen zu ethischen Konflikten kommt.

Die angebotenen Halbjahreskurse umfassen neben Vorlesungen auch praktische Übungen, so soll man z.B. in zu Übungszwecken durchgeführten Komiteesitzungen diskutieren lernen. Ferner sollen auch Kurse mit ausländischen Spezialisten als Gastdozenten stattfinden. Im Oktober beginnt der erste Kurs, an dem 30 Personen teilnehmen können.
(Quelle: Asahi 20.09.2004)


Erreger der Spanischen Grippe entschlüsselt

Ein Forscherteam unter Leitung von Prof. Yoshihiro Kawaoka vom Institute of Medical Science der University of Tokyo fand heraus, warum die Spanische Grippe, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts weltweit 20 Mio. Menschenleben forderte, derart aggressiv wütete. Wie in der Fachzeitschrift "Nature" berichtet, hat das Team festgestellt, dass die entscheidende Ursache in dem Protein "HA" (Hämagglutinin) liegt, welches sich an der Oberfläche des Virus befindet.

Die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler richtete sich auf zwei Gene, die für die Produktion der Proteine HA und NA (Neuraminidase) zuständig sind. Durch Anheften an die Zelloberfläche lässt das HA-Protein das Virus ins Zellinnere eindringen, während das NA-Protein beim Austritt der Viren, die sich in der Zelle vermehrt haben, benötigt wird.

Anhand der Basensequenzen von Genen des Virus, die von Opfern der Spanischen Grippe extrahiert worden waren, synthetisierte man beide Gene mit der gleichen Sequenz. In einer Spezialeinrichtung im Ausland produzierte man ein Virus mit diesen Genen und infizierte Mäuse damit. Dabei wurde deutlich, dass die Erkrankung bei einer Infizierung mit einem Virus, das lediglich über das Gen für das HA-Protein verfügt, besonders schwer verläuft. Es traten u.a. heftige Blutungen wie bei der Spanischen Grippe auf. Wenn das verwendete Virus über die Gene für die Proteine HA und NA verfügte, verlief die Erkrankung nicht schwerer, was zu dem Schluss führt, dass das HA-Protein für die gravierenden Folgen der Ansteckung verantwortlich ist.

Man hofft, aufgrund der Erkenntnisse neue Grippeformen kontrollieren und Behandlungsmethoden entwickeln zu können.
(Quelle: Asahi 12.10.2004)


Kleinstes Protein der Welt synthetisiert

Ein Forschungsteam des National Institute for Advanced Science and Technology (AIST) hat unter Leitung von Shinya Honda das weltweit kleinste Proteinmolekül entworfen und synthetisch hergestellt. Die Ergebnisse wurden in der amerikanischen Fachzeitschrift Structure veröffentlicht.

Das Molekül besteht aus lediglich 10 Aminosäuren, den Grundbausteinen eines Proteins, und ist damit um ein vielfaches kleiner als man bisher für möglich gehalten hatte. Man hofft, durch diese neuen Erkenntnisse dem Ursprung des Lebens auf die Spur zu kommen. Proteine haben eine Struktur, bei der die Aminosäuren wie bei einer Kette miteinander verbunden sind. Die Kette faltet sich und dadurch nehmen die Proteine eine charakteristische dreidimensionale Struktur an, die sich durch Säuren, Basen oder Hitze reversibel wandelt. Damit fungieren Proteine als Grundlage allen Lebens.

Hämoglobin, ein typisches Protein, besteht aus 287 Aminosäuren. Bisher ging man davon aus, dass ein Protein mit weniger als 30-50 Aminosäuren keine charakteristische dreidimensionale Struktur annehmen könne. Das Forschungsteam hatte zum Zeitpunkt der Proteinfaltung unter Berücksichtigung der Aminosäureanordnung in dem als "Kern" bezeichneten Teil, der durch seine frühe dreidimensionale Struktur für Stabilität sorgt, ein Molekül aus 10 Aminosäuren geschaffen.

Es konnte nachgewiesen werden, dass das neugeschaffene Molekül in wässriger Lösung genau wie ein normales Molekül die Umwandlung in eine dreidimensionale Struktur vollzieht. Das in der Natur vermutlich nicht vorkommende neue Molekül wurde auf den Namen Chignolin getauft.

Es gibt die Hypothese, dass es vor dem Beginn des Lebens auf der Erde sogenannte "Ur-Moleküle" gab, die kleiner und einfacher gegliedert waren als die heutigen Moleküle. Chignolin wird auch Einfluss auf die Forschung im Zusammenhang mit dieser Hypothese haben. Honda und sein Team hoffen, dass die Tatsache, dass so kleine Moleküle die Wandlung der charakteristischen dreidimensionalen Struktur der Proteine zeigen, zum Verständnis für den Entstehungsprozess von Proteinen auf der Erde beitragen wird. Ferner prüft das Team, ob sich diese Forschungsergebnisse für die Entwicklung beispielsweise von Impfstoffen nutzen lassen.
(Quelle: Asahi 08.09.2004)


Röntgenstrahlanalyse für Spurenelemente im Haar

Mit Hilfe des weltweit größten Synchrotrons "Spring-8" gelang es Wissenschaftlern eines Lebensmittelherstellers und der University of Hyogo eine Methode zu entwickeln, mit der sich die Konzentration von Spurenelementen in einem menschlichen Haar messen lässt. Diese Elemente wie Kalzium, Eisen oder Zink, stehen wahrscheinlich in engem Zusammenhang mit Gesundheitszustand und Krankheiten. Als praktische Anwendungsmöglichkeit strebt man eine Untersuchungsmethode an, mit welcher der Gesundheitszustand anhand eines Haares bestimmt werden kann.

In Spring-8 können Strahlen verschiedener Wellenlängen u.a. auch Röntgenstrahlen erzeugt werden. Setzt man eine Substanz Röntgenstrahlen aus, so wird eine für die jeweilige Substanz charakteristische "fluoreszierende Röntgenstrahlung" ausgestrahlt. Dieses Phänomen machte man sich bei dem neuen Verfahren zu nutze. Das Verfahren wurde bisher bei über zehn Patienten erfolgreich eingesetzt. Dabei wurde ein Haar in 40 Mikrometer dünne runde Scheiben geschnitten und diese Scheiben den Röntgenstrahlen ausgesetzt. Misst man die Konzentration der Spurenelemente scheibchenweise von der Haarwurzel bis zur Haarspitze, lässt sich nachvollziehen, wie sich der Gesundheitszustand mit dem Wachsen der Haare verändert hat.

Die Haaranalyse erweist sich besonders effektiv zum Nachweis von Chrom, das Bluthochdruck verursachen kann, oder von Zink, welches z.B. mit Neurodermitis oder Störungen des Geschmackssinnes im Zusammenhang steht.

Bisher wird ein Verfahren praktiziert, bei dem Spurenelemente im Haar mittels Plasma analysiert werden. Für eine einzige Untersuchung braucht man jedoch 150 Haare, was oft für den Patienten eine physische und psychische Belastung bedeutet.
(Quelle: Asahi 19.09.2004)


Züchtung von Augenhornhautzellen

Einer Gruppe von Wissenschaftlern des Osaka University Hospitals ist es unter Leitung von Prof. Koji Nishida gelungen, Hornhautzellen mit Hilfe von Schleimhautzellen aus der Mundhöhle zu züchten. Mit diesen Zuchtzellen konnte bei Patienten die aufgrund von Störungen der Hornhaut fast nicht mehr vorhandene Sehkraft wieder hergestellt werden. Die Forschungsergebnisse wurden in der Ausgabe des New England Journal of Medicine vom 16.09.2004 veröffentlicht.

Bei Personen, deren Hornhaut in einem Auge durch Kontakt mit Chemikalien oder Verbrennungen so stark verletzt wurde, dass sie sich nicht mehr regenerieren konnte, kann eine Wiederherstellung der Hornhaut durch Transplantation von Hornhautzellen aus dem gesunden Auge erfolgen. Bei einer Verletzung beider Augen, gab es allerdings bisher keine Möglichkeit, die Sehkraft wieder herzustellen.

Den Wissenschaftlern war aufgefallen, dass die Mundschleimhaut dieselben Proteine enthält wie die Hornhaut. Deshalb wurde Patienten ein Stück Mundschleimhaut von drei Kubikmillimetern Größe entnommen, welches dann in einer speziellen Nährflüssigkeit zu einem dünnen papierförmigen Objekt von 25 Millimetern Durchmesser anwuchs und ins Auge transplantiert wurde. Von Januar bis März 2003 wurden bei vier Patienten solche Transplantationen vorgenommen. Ihre Sehkraft, die bei einem Wert von unter 0,01 lag und damit so gut wie nicht vorhanden war, hatte sich nach 15 Monaten auf Werte von 0,06 - 0,8 verbessert. In Japan wird die Sehkraft eines Menschen mit normaler Sehstärke mit einem Wert von 1,5 bis 2,0 angegeben.
(Quelle: Asahi 17.09.2004)


Herstellungsjahr anhand von Röntgenstrahlen

Das National Research Institute for Cultural Properties, Nara gab im September bekannt, dass es mit einem Computertomographen mittels Röntgenstrahlen gelungen sei, die Jahresringe einer Holzskulptur aufzunehmen und dadurch das Herstellungsjahr der Skulptur zu bestimmen. Die hier weltweit erstmals eingesetzte Technik könnte einen großen Einfluss auf die kunstgeschichtliche Branche und die Antiquitätenbranche haben, die bislang das Herstellungsjahr von Objekten hauptsächlich anhand deren Kunststils bestimmten.

Für das Experiment kaufte man in einem Antiquitätenladen eine 27 cm hohe Statue aus japanischem Zypressenholz mit unbekanntem Fertigungsjahr, die einen auf einem Sockel sitzenden Gott darstellt. Aufgrund der Bemalung und Verfärbungen waren die Jahresringe von außen nicht zu sehen, aber mit 10 Tomographien von einer Ecke des Sockels, der die äußersten Jahresringe trug, hin zur Mitte der Figur, ließen sich 187 Jahresringe erkennen.

Man verglich diese mit dem normalen Jahresringmuster einer japanischen Zypresse und stellte fest, dass der äußerste Ring aus dem Jahr 1555, dem Ende der Muromachi-Zeit, stammt und diese Figur also später gefertigt worden ist.

Das Gerät wurde als Sonderanfertigung von Shimazu Corporation hergestellt und kann Tomographien von Holzkunstwerken mit einem Durchmesser von bis zu 50 cm und einer Höhe von einem Meter nehmen. Es wird im National Research Institute for Cultural Properties, Nara aufgestellt und dort für Forschungsaufträge von Tempeln, Schreinen und öffentlichen Institutionen zur Verfügung stehen.
(Quelle: Asahi 10.09.2004)


Roboter in Robbenform

Das National Institute of Advanced Industrial Science and Technology (AIST) hat einen Roboter in Robbenform mit Namen "Paro" als Haustierersatz entwickelt, der das Aussehen eines Robbenbabys hat. Gegen Gebühr kann er an Einrichtungen für alte Menschen ausgeliehen werden und kommt am diesjährigen "Tag der Alten" (20.9.) auf den Markt. Paro reagiert mit Bewegungen der Augen und Flossen sowie Geräuschen, wenn man ihn anspricht oder streichelt. Er soll als "Roboter mit den weltweit besten therapeutischen Fähigkeiten" in das Guinness Buch der Rekorde aufgenommen werden, ist allerdings bislang ohne Konkurrenz.
(Quelle: Asahi 19.09.2004)


Japan in OECD-Studie Bildung

Nach Angaben der am 14.9.04 veröffentlichten OECD-Publikation "Bildung auf einen Blick" investieren von den 30 Mitgliedsländern Japan und die Türkei am wenigsten in ihre Bildungseinrichtungen. Die Studie stellt außerdem fest, dass in Einrichtungen der höheren Bildung die Anzahl von Mädchen und ausländischen Studierenden auffallend gering ist. Vergleicht man die Ausgaben für Bildungseinrichtungen im Verhältnis zum BIP, so kommt Japan auf 3,5% und liegt damit viel niedriger als z.B. Frankreich mit 5,6%. Beim Vergleich des Verhältnisses staatlicher und privater Investitionen, wie etwa Spenden oder Unterrichtsgebühren, lag insbesondere bei den Hochschulen der Anteil der staatlichen Mittel mit 43,1% weit unter dem OECD-Durchschnittswert von 78,2%.

Von den japanischen Universitätsabsolventinnen schlossen 2002 39% ihr Studium mit einem Bachelor, 26% mit einem Master und 23% mit einem Doktortitel ab. Der Durchschnitt der OECD-Länder lag bei den Abschlüssen Bachelor und Master jeweils bei über 50%.

Auch das Verhältnis der an japanischen Universitäten eingeschriebenen ausländischen Studierenden lag nur bei 1,9%, eine Zahl, die zwar im Gegensatz zu 1998 (1,4%) einen leichten Anstieg bedeutet, aber immer noch weit unter dem OECD-Durchschnitt von 5,7% liegt.
(Quelle: Nikkei 14.09.2004)


Schulbesuch ausländischer Kinder

Das Ministry of Education, Culture, Sports, Science and Technology (MEXT) plant eine landesweite Studie, die sich mit dem Schulbesuch ausländischer Kinder in Japan befasst. Hintergrund für die Studie ist die hohe Anzahl von Kindern ausländischer Familien in Japan, die keine Schule besuchen.

Dem MEXT zufolge besuchten am 01.05.2003 in ganz Japan rund 62.000 Kinder ohne japanische Staatsbürgerschaft eine Grund- oder Mittelschule. Abgesehen von einigen durch Regionalregierungen durchgeführte Studien fehlen jedoch Angaben über ausbleibenden Schulbesuch.

Bereits 2002 hatte der aus 14 Städten und Großstädten der Regionen Tokai und Kanto bestehende Ausschuss von Städten mit hohem ausländischen Bevölkerungsanteil auf dieses Problem verwiesen. Nach Angaben des Ausschusses besucht von den in diesen Städten lebenden 7.349 ausländischen Kindern etwa ein Viertel keine öffentliche oder internationale Schule. Im Rahmen der 47 Mio. Yen (348.000 Euro) teuren Studie werden nun in diesen 14 Städten und weiteren 14 Ortschaften mit hohem Ausländeranteil in den Präfekturen Shizuoka, Aichi, Gunma, Kanagawa sowie in Tokyo persönliche Befragungen durchgeführt.

Die Ergebnisse der Studie sollen dazu dienen, Daten zu sammeln, die benötigt werden, um gemäß der UNICEF Kinderrechtskonvention allen Kindern eine Schulausbildung zu ermöglichen, aber auch, um das Problem der Straffälligkeit von Schulschwänzern anzugehen.

In Japan lebende Ausländer sind gesetzlich nicht verpflichtet, ihre Kinder zur Schule zu schicken.
(Quelle: Asahi 27.09.2004)


Japanischschulen werben in Peking

Die Japanese Language School Association (JaLSA) hat Mitte September in Peking gemeinsam mit Agenturen für chinesische Studierende mit Interesse an einem Auslandsstudium eine Informationsveranstaltung präsentiert. Die japanische Regierung hat ihre Auswahlverfahren in letzter Zeit erheblich verschärft, weshalb die Zahl chinesischer Studenten und Schüler in Japan deutlich zurückgegangen ist.

Die JaLSA gründete sich im März diesen Jahres. Dem Verband gehören 135 der etwa 400 in Japan existierenden Japanischschulen an. Etwa 50 der Mitgliedsschulen nahmen im September an der Werbeveranstaltung teil. Von chinesischer Seite kamen 150 Vertreter verschiedener Agenturen.

Die japanische Seite erläuterte die Regierungsmaßnahmen und bat die chinesische Seite um Unterstützung, durch rechtmäßige Verfahren die Zahl der chinesischen Schüler und Studenten, die nach Japan kommen, zu erhöhen. Nach Informationen des japanischen Justizministeriums ist die Zahl der Chinesen, denen eine Aufenthaltsberechtigung für Japan ausgestellt worden ist, im April 2004 auf 27 % und somit auf etwa ein Drittel der Vergleichszahl vom Vorjahr (74 %) gefallen. 2003 haben etwa 40.000 ausländische Schüler und Studenten Japanischschulen besucht, etwa zwei Drittel von ihnen kamen aus China.
(Quelle: Nikkei 18.09.2004)


Habermas erhält Kyoto-Preis

Am 10. November wurde zum 20. Mal der Kyoto-Preis der Inamori-Stiftung in Kyoto im Beisein der kaiserlichen Familie verliehen. Preisträger war neben dem amerikanischen Computerexperten Dr. Alan Curtis Kay und dem US-Krebsforscher Dr. Alfred Knudson als zweiter Deutscher der Philosoph Jürgen Habermas, Professor Emeritus der Universität Frankfurt.

Prof. Habermas befasst sich mit der Gesellschaftsstruktur, Kommunikationstheorien und der Erforschung der Lebensbedingungen in einer wissenschaftlich-technischen Welt. Er ist einer der wichtigsten Vertreter der "Frankfurter Schule"; 1981 erschien sein Hauptwerk "Theorie des kommunikativen Handelns".

Der mit je 50 Mio. Yen (370.000 Euro) dotierte Preis wird jedes Jahr an drei Persönlichkeiten aus den Bereichen Kunst und Philosophie, Hochtechnologie sowie Grundlagenforschung für ihr Lebenswerk verliehen. Er ist neben dem Nobelpreis eine der höchsten Auszeichnungen und wird weltweit für Verdienste um Wissenschaft und Kultur vergeben. Der Preis wurde 1985 von Dr. Kazuo Inamori, dem Gründer des japanischen Technologie-Konzerns Kyocera, ins Leben gerufen.
(Quellen: Nikkei 09.11.2004, Inamori Foundation, Pressemitteilung 11.06.2004)

 

Nachlese: „Japan und Köln“, Mitglieder laden Mitglieder ein, 8./9. Oktober 2004

Die zweite Veranstaltung "Mitglieder laden Mitglieder ein" fand, je nach Anreise, vom 7. bzw. 8. Oktober bis zum 9. Oktober in Köln an der Universität statt. Frau Prof. Dr. Ingrid Fritsch hatte die Clubmitglieder in das Ostasiatische Seminar, Abteilung Japanologie, zu einem kulturgeschichtlichen Programm geladen, das die Umbruchzeit Japans vom Shogunat in die Moderne thematisierte. Aus der offensichtlich hervorragenden Zusammenarbeit von Ostasiatischem Seminar, der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Köln und dem Japanischen Kulturinstitut wurde den Teilnehmern ein Programm geboten, von denen jede der sechs Veranstaltungen ein wahrer Genuss war.

Das Treffen begann mit einer Aufführung des traditionellen Puppentheaters von Awaji im Japanischen Kulturinstitut am Abend des 7.10. Wer, wie sicher viele der Zuschauer - nicht nur der JSPS-Mitglieder - bereits in Japan war, weiß natürlich, dass dies kein Kasperle-Theater ist, sondern die lebendige Fortführung einer langen, klassischen und anspruchsvollen Theatertradition, einem Gesamtkunstwerk, einer Kombination von Mimik, Bewegung, "action", Gesang und Musik. Besonders interessant war es - über die erstaunlich menschlich anrührenden Stücke hinaus - , dass der Leiter der Theatertruppe in einer Extra-Darbietung den Zuschauern erklärte, wie die halblebensgrossen Puppen jeweils von drei Künstlern bewegt werden.

Der eigentliche Teil des Treffens reichte dann vom Nachmittag des 8. bis zum Mittag des 9. Oktober. Als erste Hauptrednerin sprach die Leiterin der Abteilung Japanologie, Frau Prof. Dr. Franziska Ehmcke, über "Die Farbholzschnitte als Spiegel der bürgerlichen Kultur in Japans Vormoderne", d.h. über die sich entwickelnde und hochpolitische Rolle des Farbholzschnittes beginnend im 18. Jahrhundert bis zum Ende des Shogunats. Auch hier ist ja der übliche japanische Farbholzschnitt - bekannt entweder aus dem persönlichen Tourismus in Japan oder aufgrund eines guten deutschen einheimischen Postkartenangebots - allzu oft in einem hübschen oder etwas bizarren Klischee erstarrt bzw. einsortiert. Wie Frau Ehmcke ganz deutlich machte, lagen die Dinge jedoch anders. In politischer Unmündigkeit gehalten wandte sich das unter der friedenerzwingenden Herrschaft reichwerdende Volk, insbesondere die Kaufmannschaft ihren Vergnügungen zu und stellte dies auch dar. So entstanden Bilder aus dem Privatleben, der Erotik, dem Theater, Landschaften und vermehrt Karikaturen der politischen Oberschicht. Die Regierung reagierte mit zunehmenden Zensurerlassen.

Die zweite Hauptrednerin Frau Prof. Dr. Ingrid Fritsch mit "Imaginationen japanischer Weiblichkeit zu Beginn des 20. Jhdts. Mme. Sadayakko und Mme. Butterfly" machte noch deutlicher, wie erschreckend klischeeverhaftet der "normale Europäer", wie auch dieser Berichterstatter, Japan gegenüber ist oder war. Madame Butterfly, deren Gestalt belegterweise auch auf ein Treffen Puccinis mit einer japanischen Theatergruppe sowie italienische Zeitungskritiken dieser Gastspiele zurückgeht, ist ein völliges Zerrbild. Frau Fritsch erläuterte dies beeindruckend an dem Besuch jener Truppe von Madame Sadayakko, die teils von ihrem Theateragenten zu Zerrbildern ihrer eigentlichen Programme genötigt wurde, oder der aus public relations Gründen Änderungen vornahm, nach dem Motto: wenn die Zuschauer viele Harakiris sehen wollen, dann kriegen sie sie auch.

Nach diesen beiden hochinteressanten Vorträgen erfolgte eine Führung durch das Japanische Kulturinstitut, eines der drei Kulturinstitute (vergleichbar den deutschen Goethe-Instituten oder den Amerikahäusern), die in Europa die Kultur Japans fördern; die beiden anderen sind in Paris und London.

Den Abend beschloss dann ein festliches Essen, zwar in der Mensa – man traut das Mensen nicht zu – aber in der sagenhaft üppigen und großzügigen Weise, wie JSPS seine Stipendiaten stets eingeladen hat. Da kann man nur danken.

Am 9.10. vormittags trug dann als dritter Hauptredner Herr Karl-Heinz Meid von der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Köln mit „Eau de Cologne, Champagner, Schwerter und Kimonos – 1862 die ersten Japaner in Köln“ den beiden Vorrednerinnen entsprechende Überlegungen vor. Als die Regierungsdelegation des Shoguns 1862 durch Europa reiste und auch Köln besuchte, wurden die fremden Reisenden wie Zirkustiere bestaunt. Sie wurden nicht ernstgenommen und ganz als unzivilisierte Barbaren betrachtet. Dass das gleiche Land vierzig Jahre später mit guten Gründen ein europäisches Land (nämlich Russland) sozusagen mit Leichtigkeit in die Tasche stecken würde, konnte sich niemand vorstellen. Auch dieser Vortrag von Herrn Meid zeigt, wie tief Arroganz und Klischee vorherrschten und vorherrschen können, etwas das auch noch heute ja nicht ungewöhnlich ist.

Zum Abschluss erfolgte dann eine sachkundige Führung durch das Museum für Ostasiatische Kunst. Schließlich gab es noch aus Mitteln des Vereins ein schönes gemeinsames Mittagessen im urigen Brauhaus Päffgen. Last not least ist den Organisatoren, vor allen anderen Frau Professor Fritsch für dieses exzellente JSPS-Treffen zu danken.
Götz Uebe


Nicht nur Shinkansen und Sushi, Geishas und Sumo, Tempel und Schreine, Nô und Kabuki waren neue Eindrücke bei meinem ersten, JSPS-geförderten Aufenthalt in Japan 1973. Auch der Besuch des Bunraku-Puppentheaters in Osaka beeindruckte durch die für uns ungewohnte Art, wie die Spieler als "schwarze Schatten" den Puppen fast reales Leben verliehen. Puppenspiel, Drama, Rezitation und Musik (shamisen Laute) verbanden sich dabei zu einer Gestaltungseinheit. Dreißig Jahre später, am 7.10.2004, dem Vorabend des Club-Treffens "Mitglieder laden Mitglieder ein" hatten nun einige JSPS-Stipendiaten, darunter ich selbst, im Japanischen Kulturinstitut zu Köln Gelegenheit, eine seltene Aufführung von Puppenspiel von der Insel Awaji in der japanischen Inlandsee zu genießen: "Awaji Ningyô Jôruri". Die ursprünglich rituelle Bindung war in einem der drei Programmstücke, dem Tanz der Glücksgottheit Ebisu, zu erkennen; die beiden andern waren historischen Dramen (jidaimono) entnommen. Zwischendurch gab es Erklärungen zur Mechanik der Puppen und ihrer Handhabung. Das Publikum spendete reichlich Beifall.

Am folgenden Nachmittag (8.10.04) wurde das eigentliche Club-Treffen im Ostasiatischen Seminar - Japanologie von deren Leiterin, Frau Prof. Ehmcke, eröffnet. Sie hielt auch den ersten Vortrag "Die Farbholzschnitte als Spiegel der bürgerlichen Kultur in Japans Vormoderne". Die meisten von uns werden Reproduktionen aus einer der vielen Farbholzschnitt-Serien besitzen, die die Tokaido-Straße bzw. ihre verschiedenen Stationen zum Inhalt haben. So gesehen stellen sie reale Gegebenheiten des Reisens in der späten Edo- bzw. frühen Meiji-Zeit dar und geben auch Aufschluss über die Reisenden (Händler, Pilger, Lehnsherren) und ihr Verhalten. Ursprünglich als Schwarz-Weiß-Holzschnitte zu religiösen (buddhistischen) Themen entstanden, wurden sie später zu Zwei- und Mehrfarbendrucken entwickelt, wobei sich über den künstlerischen Anspruch streiten lässt. Dennoch zeigen sie als ukiyo-e (Bilder der vergänglichen Welt), insbesondere in Kabukidarstellungen und Frauenbildnissen, einen städtisch-bürgerlichen freiheitlichen Lebensstil. So sind sie auch, vor allem gegen Ende der Tokugawa-Regierung, ein Ausdruck des Protestes und des steigenden Selbstbewusstseins eines Bürgertums im Sinne einer Schicht von politisch zwar machtlosen, aber reich gewordenen Handwerkern und Händlern als Gegenspieler des Schwertadels (Samurai) und des Shogunats.

Im zweiten Vortrag "Imaginationen japanischer Weiblichkeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Mme. Sadayakko und Mme. Butterfly" ging Frau Prof. Fritsch auf die unterschiedlichen Vorstellungen japanischer Weiblichkeit in Europa und Japan um 1900 ein und setzte sie mit dem Leben und der Rezeption von Sadayakko in Beziehung. Konfuzianische Ethik (Der Ehemann ist wie der Herr, die Ehefrau ist wie der Untertan..., Isome Tsuna, 1695) und vor allem Buddhismus, aber auch die patriarchalische Familienstruktur hatten die japanische Frau "unterwürfig" werden lassen. Und von der Viktorianischen Zeit bis heute erlagen westliche Männer dem exotischen Reiz einer schönen Japanerin, die - so die Vorstellung - aus Liebe ihre Familie, Religion und ihren Kulturkreis verlässt, in Treue auf den Geliebten wartet und sich schließlich selbst opfert, wie eben jene Geisha Cho-Cho in Puccinis Oper Madame Butterfly (1904). Ganz anders die reale Geisha Sadayakko, die um 1900 mit ihrem Mann Kawakami Otojirô und einem Ensemble die USA und Europa bereiste und in extravaganten kabuki-ähnlichen Stücken als enthusiastisch gefeierte Schauspielerin auftrat. In ihrem Tanz und Gesang schien sie die japanische Weiblichkeit zu manifestieren. Sie war sich trotz ihrer Herkunft als Geisha offenbar auch dieser Weiblichkeit [??] wie auch ihrer Freiheit bewusst und hat nach ihrer Rückkehr nach Japan durchaus, wenn auch in sanfter Weise, zu sozialen Reformen beigetragen. Im Gegensatz zu Mme. Butterfly hat sie sozusagen ihr Schicksal selbst in die Hand genommen, wobei sie ihre eigene Welt auf den Kopf stellen musste. Insoweit kann sie auch heute noch japanischen Frauen als Vorbild dienen.

An die Vorträge schloss sich eine Besichtigung des Japanischen Kulturinstituts mit seiner Bibliothek an. Die Aufgaben und Veranstaltungen (Filme, Ausstellungen, Konzerte, Theater, Vorträge, Sprachkurse) wurden uns ausführlich erläutert; das Awaji-Puppenspiel als Kostprobe wurde oben schon erwähnt.

Anschließend ging es in die Mensa, wo wir nach einer kurzen Ansprache unseres Vorsitzenden Prof. Menkhaus und dem obligaten Kampai ein leckeres Buffet vorfanden und bei Wein und interessanten Gesprächen einige Kollegen näher kennenlernen konnten. So manche Geschichte über ein in Japan erlebtes Abenteuer machte da die Runde. Aber auch Wissenschaftliches kam nicht zu kurz.

Der dritte Vortrag "Eau de Cologne, Champagner, Schwerter und Kimonos - 1862 die ersten Japaner in Köln" wurde am Vormittag des 9.10. von Herrn K.-H. Meid von der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Köln gehalten. In humorvoller, echt kölscher Art schilderte er, mit vielen Originalbildern und belegt durch damalige Zeitungsartikel, so realistisch, als ob es gerade letzte Woche gewesen wäre, wie die Kölner Bevölkerung 1862 mit Begeisterung japanische Gäste empfing und bestaunte. Dabei handelte es sich um eine 36köpfige Delegation des Shogunats auf dem Weg von Amsterdam nach Berlin. Diese suchte, allerdings vergebens, die mit den westlichen Mächten abgeschlossenen Verträge aus innenpolitischen Gründen neu zu verhandeln. Im übrigen hatte Franz v. Siebold schon 1823 anlässlich seiner fünfmonatigen Reise mit einer holländischen Delegation von Nagasaki nach Edo und zurück von ähnlichen Massenaufläufen der Bevölkerung in den durchreisten Städten berichtet, nur eben mit umgekehrtem Vorzeichen. Meids Vortrag gab zudem interessante Einblicke in das Leben der Bürger Kölns um die Mitte des 19. Jahrhunderts und in die Stadtgeschichte.

Danach stand ein Besuch im Museum für Ostasiatische Kunst mit reichhaltigen chinesischen, koreanischen und japanischen Exponaten auf dem Programm. Schon das klassisch moderne Gebäude am See mit seinem Landschaftsgarten entfaltet seine eigenen Reize. Ein Highlight ist sicher die Statue des Priesters Eizon (Kôshô-bosatsu, 1201-1290), dem Erneuerer der buddhistischen Ritsu Schule. Die Statue ist eine Kopie aus dem angehenden 16. Jahrhundert einer um 1280 angefertigten Porträtstudie. Bemerkenswert sind weiterhin große Rollbilder mit chinesischen Landschaftsmalereien oder der Darstellung des Todes von Buddha, seines Eingangs ins vollkommene Nirvana. Von Frau Altmann erfuhren wir auch interessante Details zur Herstellung solcher Statuen aus kleineren Holzblöcken und dem Einsetzen der Augen, oder zur Erzeugung von Lackwaren bzw. zur Vergoldung mit Blattgold.

Abschließend "marschierten" wir dann zum Essen ins Brauhaus Päffgen, wo wir uns Kölsch und Kölner Spezialitäten munden ließen; allseitige Bewunderung rief dabei die unserem Vorsitzenden zugedachte riesige "Haxen" hervor. Nach letzten Gesprächen und Kontaktaufnahmen endete die Veranstaltung dann gegen 15 Uhr.

Fazit? Wenn es der Sinn von "Mitglieder laden Mitglieder ein" sein soll, die Arbeitsstätten und Forschungstätigkeiten von Mitgliedern kennen zu lernen, untereinander Verbindungen zu vertiefen, Japanerfahrungen auszutauschen und interessante Aspekte japanischer Kultur und ihrer Präsentation in Deutschland zu erfahren, und das alles ohne Hektik in einer gewissen Muße für Leib und Seele, so war die Veranstaltung in Köln optimal. Natürlich trug das äußere Ambiente mit dazu bei: Institute und Museum, Hotel und die Orte der Verköstigung waren alle zu Fuß bequem zu erreichen und selbst Petrus war günstig gestimmt. Aber, so denke ich, entscheidend war doch die Organisation, diesmal eine weibliche. Dafür danken wir der Veranstalterin sehr herzlich. Dank sei auch dem Club und Herrn Menkhaus, die so hervorragend für unser leibliches Wohl sorgten.
Anton Rieker


Terminankündigungen

Zur Feier des zehnjährigen Bestehens unseres JSPS-Clubs wird das alljährliche Treffen ehemaliger Stipendiaten am 22./23. April 2005 am Vereinssitz in Bonn stattfinden. Das Symposium wird Beispiele und Perspektiven japanisch-deutscher Zusammenarbeit in der Wissenschaft aufzeigen

Im Rahmen des Deutschland in Japan Jahres wird der JSPS-Club gemeinsam mit der JSPS ein Symposium zum Thema ?Urban Planning - Sustainable Cities'in Tokyo veranstalten. Das Symposium wird voraussichtlich am 12. September 2005 stattfinden.

Ein eintägiges Besichtigungsprogramm ist im Anschluss an die Veranstaltung vorgesehen. Nähere Informationen zu dieser Veranstaltung teilen wir zu einem späteren Zeitpunkt mit.

Bitte merken Sie sich schon heute diese beiden Veranstaltungstermine vor.


Deutsche Gesellschaft der JSPS-Stipendiaten e.V.

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Ahrstr. 58, 53175 Bonn, PF 20 14 48, 53144 Bonn
Tel. : 0228 375050, Fax: 0228 957777
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