Podiumsdiskussion

Teilnehmer:
Prof. Dr. Masao Itō
Prof. Dr. Makato Kikuchi
Prof. Dr. Walter Kröll
Prof. Dr. Hans-Joachim Queisser

Moderation: Prof. Dr. Wolfgang Herrmann (Rektor der Technischen Universität München)


Der erste Teil der Diskussion wird der Frage gewidmet, welche Maßnahmen zur Ausbildung und Motivation des wissenschaftlichen Nachwuchses am geeignetsten erscheinen, und welche spezifischen Charakteristika für Deutschland bzw. Japan identifiziert und evtl. im jeweils anderen Land genutzt werden können. Die meisten wirklichen Innovationen werden letztlich von jungen Wissenschaftlern gemacht – nach einer Untersuchung stammen 60–90 % aller wiss. Innovationen von Wissenschaftlern unter 33. In Deutschland ist die Menge der Studienanfänger in den naturwissenschaftlichen Disziplinen binnen 10 Jahren um 40–50% gesunken, in Japan sind es unwesentlich weniger. Dort wie in Deutschland ist man u.a. mit der Qualität der vorbereitenden Ausbildung in den Oberschulen unzufrieden. Aber auch die universitäre Ausbildung wird in vielen Fällen als zu traditionell beurteilt, zumal die klaren Grenzen zwischen den Disziplinen zusehends verwischen, übergreifende Aspekte werden bedeutender. So sind einer Umfrage zufolge extrem viele Studierende an Umweltwissenschaften interessiert, die aber als eigene Disziplin fast überhaupt nicht angeboten wird. Insgesamt können die diskutierten Probleme als symptomatisch für etwas tiefergehendes gesehen werden, nämlich das Selbstverständnis der Wissenschaftler und die sich ändernde Wertschätzung der Gesellschaft ihnen gegenüber. Aus Sicht der Industrie wird bemängelt, daß kein Wissen über die kommerziellen Folgen vermittelt wird, z.B. über Patente, und daß diese Aspekte der praktischen Folgen wissenschaftlicher Forschung sogar mit Mißtrauen beäugt und geringgeschätzt werden. Abschließend wird für diesen Fragenkomplex auch festgestellt, daß Lehrer in Schule und Universität nicht nur Fakten vermitteln, sondern ihre Schüler zum Nachdenken und Gestalten von Sinn und Zweck dieser Fakten anregen sollten. Es wird gefordert, das japanische System der Eingangsexamen für Universitäten auf ein geringeres Schwierigkeitsniveau zu bringen und etwas Vergleichbares für Deutschland zu entwickeln.

Desweiteren wird die Frage von universitärer Interaktion und Zusammenarbeit diskutiert. Deutsch-japanische Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten im Hinblick auf Zuständigkeiten und Verantwortung bei der Kooperation zwischen Industrie und Universität, z.B. bei der Durchführung von Doktorarbeiten, werden eruiert. In Deutschland ist die Vergabe von Promotionen an externe, d.h. meist aus der Industrie kommende Kandidaten immer noch unüblich, während es in Japan häufig ist. Auf den ersten Blick scheint es, als fänden gegenläufige Bewegungen in Deutschland und Japan statt: Hier bewegt man sich weg von der Grundlagenforschung hin zu angewandten Aspekten, dort genau umgekehrt. In Wirklichkeit aber findet eine Konvergenzbewegung statt. Es gilt, sowohl Wissenschaft als auch Industrie in einem gemeinsamen Vorgehen dazu zu bringen, in Reaktion auf die Bedürfnisse von Gesellschaft und Industrie mehr als bisher aus Wissenschaft herauszuholen. Es wird Leibniz zitiert: "Wann immer ich etwas Neues lerne, frage ich mich zugleich, was für das Leben daraus gewonnen werden kann." In diesem Zusammenhang werden auch noch einmal die genannten Zahlen zur Verdopplung des Etats für "Grundlagenforschung" hinterfragt bzw. die unterschiedlichen Auslegungen, was in Japan zur Grundlagenforschung zählt und was nicht. In Beantwortung der Frage wird an die Einteilung von Prof. Mori erinnert, der verschiedene Bereiche von angewandter über Grundlagenforschung (Bereich B wie Basic) bis hin zu fundamentaler Forschung (B-square) definiert hat.

Anschließend wird gefragt, wie sich die öffentliche Wahrnehmung der Bedeutung von Wissenschaft in Japan und Deutschland entwickelt. Gibt es besondere Ansprüche an Wissenschaft? Es wird festgestellt, daß sich in beiden Ländern die Wahrnehmung und die Wertschätzung von Wissenschaft und Wissenschaftlern ändern. Probleme wie Arbeitslosigkeit führen zu neuen Sichtweisen, und generell wird festgestellt, daß die Öffentlichkeit der Wissenschaft teilweise zu viel vertraut (zuviel erwartet) und teilweise zu mißtrauisch ist. Um vor allem das Mißtrauen und eine kritische bis ablehnende Haltung gegenüber Wissenschaft zu bewältigen, fordern einige Stimmen die Rückkehr zu alten Prinzipien (Tugenden), andere plädieren für mehr Flexibilität und weniger Festhalten an Prinzipien. Im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Grundlagenforschung wird schleißlich kritisiert, daß man im Gegensatz zu den USA nach deutschem Recht das Recht auf eine Patentierung verliere, sobald man über ein Forschungsergebnis gesprochen habe (in den USA gibt es ein Jahr Schonfrist), und es wird gefragt, wie das Patentrecht in Japan gehandhabt werde.